Rotatorenmanschette

In diesem Beitrag informiert Sie Dr. med. Alexander Rukavina über die Rotatorenmanschette. Sie erhalten einen Überblick über die aktuellen Erkenntnisse bezüglich Klinik, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung bzw. Verletzung.

 

Verletzungen der Rotatorenmanschette

Epidemiologie

Verletzungen der Rotatorenmanschette gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern an der Schulter und sind gleichzeitig eine der häufigsten Sehnenverletzungen des Menschen (1). Mit dem Alter steigt das Risiko einer Rotatorenmanschettenläsion erheblich. Die Studien zeigen eine Prävalenz von 15-über 20% bei über 50 jährigen, ab dem 70. Lebensjahr von über 45% (2).

Ätiologie

Die Ätiologie der Rotatorenmanschettenverletzung ist vielfältig. Neben Faktoren, die von aussen auf die Sehnen wirken (Traumata, Impingement), unterliegen die Sehnen degenerativen Veränderungen im Verlauf (Verkalkungen, fettigen Infiltrationen, Mirkrotraumata durch Verlust der Elastizität) (3). Das menschliche Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk und unterliegt somit einer hohen Beanspruchung. Dies trägt unter anderem dazu bei, dass der „Alterungsprozess“ hier schneller fortschreitet.

Die degenerativen Veränderungen erklären auch, warum einen Grossteil von Sehnenverletzungen diagnostiziert wird, ohne dass ein adäquates Trauma stattgefunden hat.

Rein traumatische Verletzungen der Rotatorenmanschette werden bei jüngeren Patienten (unter 45) sowohl im Rahmen von Distorsions- und Kontusionstraumata als auch häufig im Rahmen einer Schulterluxation (1) gesehen.

Klinik und Diagnostik

Die klinische Untersuchung der Rotatorenmanschette beinhaltet die Bewegungsanalyse der Schulter, die Beurteilung der groben Kraft und die Funktionsbeurteilung der Muskeln und Sehnen mit den üblichen klinischen Tests. Die klinische Untersuchung sollte zu einer Verdachtsdiagnose führen und ist letztendlich Voraussetzung für die weitere bildgebende Diagnostik.

Bei Verdacht auf das Vorliegen einer Rotatorenmanschettenläsion ist das Röntgenbild in mindestens zwei Ebenen indiziert. Nach Ausschluss von knöchernen Verletzungen sollte die Zentrierung des Humeruskopfes beurteilt werden. Das Vorliegen eines Humeruskopfhochstandes, erkennbar an der Unterbrechung der Maloney-Linie, mit entsprechender Verschmälerung des Subacromialraumes kann durch eine Sehnenverletzung bedingt sein Abb.1.

Die Kraftvektoren der Muskeln der Rotatorenmanschette sind nach kaudal gerichtet, so dass Sehnenrupturen zu einer Dezentrierung des Humeruskopfes nach kranial führen(4).

Im Rahmen der Ultraschalldiagnostik kann man Sehnenläsionen, sowie periartikuläre Weichteile und Flüssigkeitskollektionen gut darstellen. Sie ist stark
untersucherabhängig und eingeschränkt aussagekräftig bezüglich Zustand der Muskulatur. Die MRI Untersuchung der Schulter ist bei einer Verdachtsdiagnose der Rotatorenmanschettenläsion unverzichtbar geworden. Die intraartikulären Applikation von Kontrastmittel erhöht die Sensitivität, insbesondere für Partialläsionen. Der Grad der möglichen fettigen Degeneration der Muskulatur hat entscheidenden Einfluss auf die Prognose. Eine fortgeschrittene fettige Degeneration stellt eine Kontraindikation für die Rekonstruktion der korrespondierenden Sehne dar.

Klassifikation

Die von Patte beschriebene Klassifikation beschreibt die Lokalisation der rupturierten, retrahierten Sehne und gibt somit auch Auskunft über die Prognose (Tabelle 1). Wenn sich die Sehen nicht spannungsfrei bis zum ursprünglichen Insertionsort mobilisieren lassen, so ist eine physiologische Muskelarbeit nicht mehr möglich. Sehen, welche sich hinter den Glenoidrand zurückgezogen haben gelten als nicht mehr rekonstruierbar und sind in der Regel mit einer erheblichen fettigen Degeneration des Muskels verbunden.

Tabelle 1

Grad Beschreibung
I Rupturrand zwischen Tuberculum majus und Apex humeri
II Rupturrand zwischen Apex humeri und Glenoid
III Rupturrand medial des Glenoids

 

Therapie

Die Therapieform muss immer mit dem Patienten individuell abgesprochen werden. Sie richtet sich nach Art, Ausprägung der Verletzung, Alter und körperliche Ansprüche.

Patienten mit Partialläsionen und wenig symptomatischen Komplettrupturen sollten primär einer konservativen Therapie zugeführt werden.

Das Patientenalter wird immer noch kontrovers diskutiert bezüglich Operationsindikation. Böhm et al. konnte in seiner Studie zeigen, dass auch bei Patienten über 60 Jahre gute und mit jüngeren Patienten vergleichbare Resultate nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion erzielt werden (5).

Vielfach konnte gezeigt werden, dass eine Verletzung der Rotatorenmanschette einen progredienten Verlauf bezüglich Defektgrösse und Beschwerdesymptomatik nimmt, weshalb bei kompletten Rupturen eine konservative Therapie als kritisch betrachtet werden muss (1). Bei 50% der konservativ behandelten Patienten lässt sich nach 18 Monaten eine Grössenprogredienz feststellen, die oft mit einer im Verlauf schmerzhaften Bewegungseinschränkung vergesellschaftet ist.

Eine Spontanheilung bei Rotatorenmanschettenrupturen konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Hingegen zeigen komplette Rupturen degenerative Veränderungen, rasche Retraktion der Sehnen und eine irreversible Verfettung der Muskulatur (1). Bei akuten, kompletten und symptomatischen Rotatorenmanschettenrupturen ist die operative Rekonstruktion indiziert, die innerhalb von 3 Monaten erfolgen sollte. Kontraindikation für die operative Therapie sind für uns eine Sehnenretraktionen I Patte III und eine fettige Degeneration der Muskulatur I Stadium 3 nach Goutallier. Desweiteren gilt ein verringerter akromiohumeraler Abstand J 7mm als prognostisch ungünstiges Zeichen (4).

Bezüglich der Operationstechnik ist die diagnostische Arthroskopie etabliert. Die rein arthroskopische Rekonstruktion im Vergleich zur Mini-open Technik zeigt in den aktuellen Studien keinen signifikanten Unterschied bezüglich des langfristigen Follow-up. Auch bezüglich der Rerupturrate konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung nach operativer Rekonstruktion ist langwierig. Die ist hauptsächlich darin begründet, dass das bradythrophe Sehnengewebe Zeit braucht, bis eine ausreichende Stabilität erzielt wird.

Die Nachbehandlung beinhaltet eine Ruhigstellung auf dem Abduktionskissen über 6 Wochen. Unmittelbar nach dem Eingriff erfolgt die physiotherapeutische Beübung mit Mobilisation der Schulter um eine Schultersteife zu vermeiden und eine Verbesserung der Funktion und Kraft zu erzielen.

Die aktuellen Studien zeigen, dass die Ergebnisse nach Rekonstruktion von Rotatorenmanschettenläsionen unterschiedlicher Grösse insgesamt ermutigend sind. Partialläsionen und akute, traumatische Läsionen weisen die höchste Erfolgsrate auf, Massenrupturen schneiden erwartungsgemäss weniger gut ab.

Zusammenfassung

  • Verletzungen der Rotatorenmanschette sind die häufigsten Sehnenverletzungen
  • Ursache sind Verletzungen sowie degenerative Veränderungen
  • Neben Röntgenaufnahmen, zählt die klinische Untersuchung zur Basisdiagnostik
  • Bei Verdacht auf Sehnenverletzungen ist das MRI Goldstandard
  • Die Operative Rekonstruktion muss mit dem Patienten individuell besprochen werden. Bei einer traumatischen Genese wird die Operative Rekonstruktion gegenüber der konservativen Therapie bevorzugt.

Literatur

(1) J Simon Jakob Herrmann et al. „Schulter-Rotatorenmanschette“ OPJournal 3/2013
(2) Yamamoto A et al.“ Prevalence and risk factors of a rotator cuff tear in the general population.“ J Shoulder and Ellbow Surg; 19: 116-120. (2010).
(3) Uhlthoff HK, et al. : “Pathology of failure of the rotator cuff tendon.“Orthop Clin North Am; 54: 41-50 (1997).
(4) Walch G et al. : “Surgical treatment of rotator cuff rupture.“ Rev Chir Orthop Reparatrice Appar Mot ; 78 : 379-388. (1992).
(5) Böhm TD et al. : “Comparison of the functional result after rotator cuff repair in patients below and above 60 years of age.“Obere Extremität; 1:2-7 (2006).