«Frozen Shoulder»

In diesem Beitrag möchte Dr. med. Alexander Rukavina Sie über die «Frozen Shoulder», auch als Schultersteife bekannt. Sie erhalten die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung bezüglich der Entstehung, Diagnostik und Behandlung dieser Verletzung.

 

Die «Frozen Shoulder»

Definition:

Die «Frozen Shoulder» ist eine entzündliche Veränderung der Schultergelenkkapsel. Diese ist mit einer erheblichen, schmerzhaften Bewegungseinschränkung verbunden. Die Bewegungseinschränkung umfasst den aktiven und passiven Bewegungsumfang. Neviaser beschrieb 1945 eine verdickte und geschrumpfte Gelenkkapsel und bezeichnete diesen Umstand als „Kapsulitis adhäsiva“ (1). Die Entzündungen der Gelenkkapsel sind vor allem im vorderen Anteil der Schulter lokalisiert, im sogenannten Rotatorenintervall (Raum zwischen der Subscapularis- und der Supraspinatus-Sehne). Die Betroffenen leiden unter einer zunehmenden Schultersteife und anhaltenden Schmerzen. Eine Schonhaltung ist die Folge.

Ätiologie:

Die «Frozen Shoulder» kann sich nach einer Verletzung im Schulterbereich ausbilden.

Auch eine längere Ruhigstellung der Schulter nach operativen Eingriffen führt zu einer vorübergehenden Schultersteife, aus der sich eine «Frozen Shoulder» entwickeln kann.

Man weiss bis heute nicht sicher ob die Verletzung zu einer Entzündung führt oder die Schonung zu einer Reduktion des Bewegungsumfangs. Aber auch ohne äussere Einflüsse kann sich eine „spontane“ «Frozen Shoulder» entwickeln.

Bei gleichzeitigem Bestehen eines Diabetes mellitus konnte ein deutlich höheres Risiko einer «Frozen Shoulder» (4-6-mal höher) festgestellt werden (2).

Diagnostik

Die Diagnose einer «Frozen Shoulder» ist schwierig und kann erst im Verlauf der Erkrankung diagnostiziert werden, nachdem diverse Differentialdiagnosen ausgeschlossen wurden. Zu den häufigsten Differentialdiagnosen zählen:

  • Subakromiales Impingement (Engpass-Syndrom) mit Entzündung des Schleimbeutels
  • Tendinosis calcarea
  • Arthrotische Veränderungen im Schultergelenk oder/und dem Schultereckgelenk
  • Neurologische Erkrankungen

Die klinische Untersuchung zeigt meist eine deutliche Bewegungseinschränkung in allen Ebenen. Der Bewegungsumfang sollte hierbei immer mit der gesunden Seite verglichen werden. Am auffälligsten ist die verminderte Aussenrotation mit einem schmerzhaften Stopp. Wir benutzen das Defizit der Aussenrotation als Verlaufsparameter. Je geringer das Defizit umso geringer ist die Ausprägung der «Frozen Shoulder», respektive desto grösser ist der Therapieerfolg.

Der typische Verlauf der Frozen shoulder” kann nach Reeves (2) in drei Phasen aufgeteilt werden: Die 1. Phase ist vor allem durch zunehmende Schmerzen gekennzeichnet. Die Schmerzen sind diffus und können vom Patienten nicht lokalisiert werden. In der Nacht sind die Beschwerden verstärkt, so dass der Patient nicht auf der betroffenen Seite liegen kann. Die Dauer der ersten Phase variiert zwischen 4 Wochen bis zu 12 Monaten.

Die zunehmende Bewegungseinschränkung kennzeichnet den Übergang in die zweite Phase. Die eingeschränkte Beweglichkeit in der Schulter versucht der Patient über eine unnatürliche Ausgleichsbewegung im Schulterblatt und über die Nackenmuskulatur zu kompensieren. Dies führt dann wiederum zu einer Überund Fehlbelastung, so dass in der Folge Beschwerden im Schulterblatt und häufig auch im Bereich der Nackenmuskulatur geklagt werden.

In der dritten Phase kommt es zum „Auftauen“ der Schultersteife. Die Beweglichkeit verbessert sich schrittweise. Die Dauer bis zur Wiedererlangung der vollen Beweglichkeit ist schwer vorhersagbar. In der Literatur werden Angaben zwischen 1.5 und 3 Jahren gemacht. Bei Diabetikern wurden Verläufe über 10 Jahre beobachtet.

Laborchemisch und radiologisch zeigen sich in der Regel keine pathologischen Befunde.

Therapie

Da die Erkrankungsdauer und der Leidensdruck durch die Bewegungseinschränkungen sehr unterschiedlichen Schwankungen unterliegen, muss die Therapie auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden. Desweiteren richtet sich die Therapie immer auch nach der Phase, in der sich der Patient befindet.

In der ersten Phase werden die konservativen Therapieformen (Schmerzmittel, Physiotherapie, evtl. intraartikuläre Infiltrationen) eingesetzt. Der Einsatz von Steroiden (Cortison) ist eine gute Therapieoption die in dieser Phase eingesetzt werden kann. Operative oder aggressive Therapieformen sind in der Regel kontraproduktiv. Im Vorfeld muss der Patient über den Krankheitsverlauf und dessen Dauer aufgeklärt werden. Die Prognose dieser Erkrankung ist gut, der Verlauf jedoch langwierig. Die konservativen Therapieformen sollten mindestens 6 Monate angewendet werden, bevor man die Möglichkeit einer operativen Intervention mit dem Patienten prüft.

In der zweiten Phase müssen die Therapieoptionen nochmals mit dem Patienten besprochen und überprüft werden. Hierzu zählt auch die Operation. Die operative Therapie beinhaltet das arthroskopische Einschneiden/Inzision der Kapsel, wobei Anteile der Kapsel entfernt /reseziert werden (3). Der Entscheid, ob die meist betroffene lange Bicepssehne mitversorgt wird, kann erst intraoperativ (während der Operation) entschieden werden. Während des Eingriffs wird das Bewegungsausmass immer wieder überprüft. Erst wenn eine freie passive Beweglichkeit in allen Ebenen erreicht ist, wird die Operation beendet.

Die Nachbehandlung ist sehr wichtig, damit die gewonnene Beweglichkeit erhalten bleibt. Hierfür ist eine ausreichende Schmerztherapie und eine regelmässig begleitende Physiotherapie unabdingbar. Der Patient soll die instruierten Übungen selbstständig, mehrmals täglich durchführen. Im Rahmen der Physiotherapie muss immer darauf geachtet werden, dass zuerst die Beweglichkeit ausreichend verbessert werden muss, bevor mit dem Kraftaufbau begonnen werden kann. Nur so kann ein langfristiger Therapieerfolg erzielt werden.

Zusammenfassung

Die «Frozen Shoulder» ist eine Erkrankung des Schultergelenks, verbunden mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, die in drei Phasen abläuft. Die Ursachen dieser Erkrankung sind Ruhigstellung, Verletzungen oder eine Reaktion nach einem operativen Eingriff an der Schulter. Die Behandlung richtet sich nach der aktuellen Phase und muss immer wieder individuell angepasst werden. Der Verlauf ist in der Regel langwierig aber gutartig. Bei Diabetikern werden gehäuft progrediente Verläufe beobachtet. Neben den konservativen Methoden, welche initial immer zuerst eingeleitet werden, steht die operative Intervention im Rahmen eines arthroskopischen Eingriffs.

Literatur:

(1) Neviaser JS:“Adhesive capsulitis of the shoulder: study of pathological findings in peri-arthritis of the shoulder.“J Bone Joint Surg (Am) 27:211-222 (1945)
(2) Reeves B:“The natural history of the frozen shoulder syndrom.“Scand J Rheumat 4: 193-196 (1975)
(3) Kieras DM:“Open release in the management of refractory frozen shoulder.“ Orthop Trans: 25, 801-802 (1991)